Fijula
Vielleicht war es ein Fehler, der Gruppe zu erzählen, dass der nächste Tag mit einer beträchtlichen Steigung beginnen sollte. Ich hatte die Steigung am Tag zuvor schon genommen, da ich die Gruppe aus den Augen verloren hatte und nicht bemerkte, dass sie statt Berg den Weg ins Tal gewählt hatte, um eine Kaffeepause bei Madame O. einzulegen.

Zunächst beginnt der Tag ganz geschmeidig. Routinemäßig bin ich spät dran, da der Rucksack mit allen Habseligkeiten gefüllt werden muss, was für mich wieder ein Umbau desselbigen bedeutet. Das Haus wird noch schnell geputzt und der Regen lauert erneut vor der Tür. Froggy hat eine Fahrgelegenheit für uns klar gemacht, die in zwei Etappen von einem netten Franzosen namens Jacky übernommen wird. Alles klappt wie am Schnürchen und doch ist Sand im Getriebe.

Die Gruppe ist schließlich vereint und macht sich gemeinsam auf den Weg bergauf, denn der Berg steht immer noch da, wo ich ihn tags zuvor verlassen habe. Die sonst so lebhafte Gruppe verfällt in Schweigen und keucht. Nach einer halben Stunde schließe ich mich Oleander an und frage, warum die Gruppe schweigt. Oleander: “Fijula, du hättest den Aufstieg auch verschweigen können, aber du hast so oft erwähnt, dass er uns am Anfang erwartet, da hatte ich schon Angst.“ Ich bin erstaunt, denn ich hatte im Glauben gehandelt, die Gruppe besser auf das Kommende vorzubereiten, damit es sie nicht eiskalt erwischt. Jetzt wird mir klar, dass das auch zu Unsicherheiten führen kann.
Ich schließe zu Chora auf, der Wald öffnet sich und gibt den Blick auf eine unendlich weite Landschaft frei. Ich atme tief durch und lasse den Blick schweifen: „Ich liebe diese Weite“, sage ich voll Freude. Chora entgegnet: „Mir ist der dichte Wald lieber.“ Ich staune über die unterschiedlichen Empfindungen.
Wo ist Koshi? Koshi hängt hinten dran und sieht nicht sehr entspannt aus. Ich lasse sie zu mir aufschließen und frage, was los sei. Sie sagt: „Monday-Blues“ – ist nicht meine Tag heute und dann noch der Regen und überhaupt.“ Ja – überhaupt. Dieses Überhaupt sagt alles. Manchmal ist es das, was wie ein Gewicht an den Füßen hängt.
Froggy schaut sich genervt um, als ich zu ihr aufhole. „Na, wie läufts?“, frage ich und merke sofort, das ist die falsche Frage, zur falschen Zeit, am falschen Ort. Jetzt ist sie raus und schwebt im Raum. „Muss!“, sagt Froggy, „der dritte Tag ist immer der schwerste.“ Es ist zwar der vierte, aber ich wage nicht, das zu bemerken.
Ich schaue ins Tal und sehe den Höhenzug in der Ferne. Da müssen wir heute noch rauf, denke ich. Ich werde das nicht erwähnen. Blue Monday am dritten oder vierten Tag ist schon Ballast genug, wer will da noch mit Höhenprofilen konfrontiert werden. Wenn nur der Regen mal eine Pause einlegen würde. Warum laufe ich eigentlich hier herum? Noch über tausend Kilometer bis Compostela. Ich könnte jetzt einen heißen Tee gebrauchen. Wer will schon Pause machen im nassen Nirgendwo? ‚Sie laufen durch weitestgehend menschenleere Landschaften‘, sagt das Pilgerbuch. Ja klar, bergauf an einem Montag.