Es gibt ein Thema, mit dem sich jeder Pilgernde zwangsläufig auseinandersetzen muss. Das Idealgewicht!

Nicht das Gewicht der Pilger*innen ist gemeint, sondern das des Gepäcks auf dem Rücken. Wie schwer darf der Rucksack sein?

Es gibt eine Faustformel, die besagt, dass es nicht mehr als 10% des Körperwichts sein sollen. In diesem Fall dürfte mindestens eine meiner Mitpilgerinnen maximal ihren Kulturbeutel tragen.

Ich selbst käme zwar in einen Bereich, mit dem ein Großteil der Pilger*innen zurechtkäme, der für mich aber nicht ausreicht.

Jetzt geht es an die Feinjustierung. Jedes Teil, das in den Rucksack geht, wird zunächst gewogen. Irgendwann ist der ganze Tisch voll mit Kleidungsstücken, auf denen Zettel mit Gewichtsangaben kleben. Nur die leichtesten kommen in die engere Auswahl.

Jedes Gramm zählt

Sicherheitshalber ziehe ich alles noch einmal an. „Schrille Farbkombi“, bemerkt ein Familienmitglied, während ich mich vorm Spiegel drehe.

„Hier geht es nicht um Optik, sondern ums Gewicht“, erkläre ich.

Die pinken Klamotten sind schwerer als die blauen. Das gibt’s doch nicht! Ich packe Blau ein. Überlege dann, dass Pink auch eine Lebenseinstellung ist, und tausche wieder aus.

Wenn zweihundert Gramm plus mehr Freude bedeutet, dann ist es mir das wert. Da halbiere ich doch lieber die Seife und säge den Stiel von der Haarbürste ab.

Der Regenponcho wiegt unfassbare dreihundert Gramm. Wie viele Regentage sind realistisch? Reichen auch meine drei Einwegponchos, die ich noch von Festivals habe?

Beim Thema Schuhe wird es kritisch. Brauche ich die knöchelhohen Wanderboots? Die 1700 Pilgerkilometer, die ich bereits gelaufen bin, habe ich die Boots selten getragen. Meistens nur im Rucksack. Meine Füße lieben die Freiheit. Warum sollte das in Spanien anders sein als in Frankreich?

Ein selbsternannter Wanderexperte meint: „In Frankreich warst du auch noch leichter.“ Damit spielt er auf die acht Coronakilos an, die noch auf meinen Rippen hängen. „In Frankreich war mein Rucksack aber viel schwerer, denn da hatten wir mehr Wetter“, antworte ich. „Dann kannst du doch das Gewicht, das du nun am Körper trägst, von deinem Gepäck abziehen. Dann stimmts wieder“, schlägt er vor.

Ich überschlage schnell im Kopf und sehe mich den Camino mit der Alditüte laufen. Darin befinden sich dann eine abgesägte Haarbürste und eine halbe Seife.