Dass das Pilgern etwas mit uns macht ist klar. Das wussten wir vorher. Das haben wir irgendwie erwartet und teilweise auch befürchtet. Ich erinnere mich noch an Froggys Satz: „Ich habe Angst, dass das Pilgern mich zu einem anderen Menschen macht.“
Ich glaube, wir sind alle zu etwas anderen Menschen geworden, im „Laufe(n)“ (mit) der Zeit. Wir wären vermutlich auch ohne Laufen zu einem anderen Menschen geworden, denn Veränderung bedeutet doch Entwicklung. Wir möchten uns alle weiterentwickeln, zu irgendetwas hin oder von irgendetwas weg. Meine Auffassung ist die, dass das Pilgern den Prozess nur etwas beschleunigt und dem Ganzen mehr Tiefe gibt.
Wir haben uns mal überlegt, was das Pilgern bishsher mit und gemacht hat:
Ich fange dann mal an.
Was das Pilgern mit mir macht
Was habe ich von Pilgern erwartet? Wenn ich ehrlich bin, gar nichts. Meine Erwartungshaltung war sehr simple. Tage an der frischen Luft, Nomadenleben light, Reduzierung auf das Wesentliche, damit bin ich angetreten.
Heute drei Jahre später, schätze ich immer noch die Tage an der frischen Luft, das Nomadenleben „light“ und die Reduzierung auf das Wesentliche.
Allerdings gibt es jetzt eine viel detaillierte Sicht auf die Dinge. Die Tage an der frischen Luft und die damit verbundene Freude, ist bei mir stark von den Außentemperaturen abhängig. Zu den Zeiten des heimatnahen Pilgerns, das uns jeden Monat auf den Weg führte, fürchtete ich die kalten Wintermonate am meisten. Heute, da wir ja hauptsächlich im Mai-Juni sowie im September- Oktober unterwegs sind, ist es allenfalls der Oktober der mich mit Schrecken erfüllt.
Die Reduzierung auf das Wesentliche ist ebenfalls stark von den Jahreszeiten abhängig. Das Wesentliche ist im Frühsommer schneller zusammen gerafft als im Herbst. Im Herbst setzt die Entscheidung, Wärmflasche ja oder nein, doch 2 Paar dicke Socken und wie viele Jacken in den Rucksack gehören manchmal ein tagelanges Verhandeln mit dem eigenen Bedenkenträger voraus.
Das Nomadenleben bleibt „light“, auch wenn wir heute dazu übergehen am Morgen nicht zu wissen, wo wir am Abend unser Pilgerhaupt betten. Im Zeitalter der fortschreitenden Digitalisierung, weiß zur Not Google wo sich die nächste bezahlbare Unterkunft befindet oder man klopft einfach an die erstbeste Tür und bittet um Asyl, für eine Nacht.
Das hat das Pilgern mir gebracht: Das Vertrauen in die eigenen Lösungsstrategien und in die Stärke der Gruppe, das ist auch der Boden der mich trägt. Ich glaube, das ist eine der wichtigsten Erkenntnisse. Es geht immer noch ein Stück weiter und es gibt für alles eine Lösung. Eine andere wichtige Erkenntnis ist für mich, dass Pausen tatsächlich einen Sinn haben. Ich glaube, dass ich allzu oft Pausen am Tag, im Leben und auch sonst als Zeitverschwendung betrachtet habe. Das Pilgern hat mich gelehrt, dass die Zeit nach der Pause wesentlich effektiver ist. Pausen geben Kraft und Motivation. Nicht gegen die Erschöpfung zu kämpfen sondern ihr nachzugeben, ist eine neue Erfahrung, die ich aus dem Pilgern gewonnen habe.
Außerdem habe ich eine lautere innere Stimme bekommen. Das mag seltsam klingen, aber das Bauchgefühl hat eine stärkere Bedeutung erhalten. Wenn man schon viele Kilometer gelaufen ist und der Weg plötzlich keine eindeutigen Hinweise gibt, ob man noch auf Spur ist, dann ist es das Bauchgefühl, dass dich entweder zum Umkehren oder zum Weitergehen auffordert. Das Bauchgefühl hat Recht, zu 100%, davon bin ich überzeugt. Es sei denn der Bauch hat Hunger, dann sieht der schnellste Weg zum Futtertrog immer richtiger aus, als jeder andere.
Der Mensch der morgens aus dem Schlafsack kriecht oder aus der Herberge taumelt, ist nicht der Gleiche, der am Abend sein Pilgerhaupt sonst wo bettet. Das ist klar – der Weg verändert dich. Jeden Tag. Die Erfahrungen sind komprimierter und du bist näher bei dir. Alles tritt direkt an dich heran, die Freude über einen bewältigten Anstieg, wie die Schmerzen in deinen Füßen.
Und dann passiert das Unglaubliche. Du nimmst all diese Erfahrungen mit ins Leben, in den Alltag zurück in das Bekannte. Die innere Stärke, den inneren Kompass und der unerschütterliche Glaube daran, dass du alles schaffen kannst. Alles ist nur temporär und nach der Pause sieht der Wald anders aus. Die Akzeptanz des Ungewissen und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten sind ein Gewinn, der jeden gelaufenen Meter rechtfertigt.
Das sage ich heute nach drei Jahren kontinuierlichen Pilgerns. Fortsetzung folgt.
Fijula
Jeder von uns hat andere Veränderungen, die im Vordergrund stehen. Jede von uns hatte auch andere Dinge im Gepäck und das nicht nur im Rucksack. Hier sind Oleanders Erfahrungen
Was macht Pilgern mit mir?
Pilgern …
…mit fünf Frauen!!! Es funktioniert!!!
Ich wundere mich selber, denn anfangs war ich ziemlich skeptisch. Ob das wirklich funktioniert????
Zuhören, sich einlassen, jeden annehmen wie er ist!! Stärken und Schwächen erkennen – seine eigenen und die der anderen. Stärken leben! Und auch mal abgeben an andere und keine Verantwortung übernehmen.
…macht mir bewusst, wie einfach und unkompliziert es ist mit wenigen Dingen auszukommen.
Deutschland’s und mein persönliches Leben im Überfluss hat mich verwöhnt. Wer jedoch sein Gepäck selbst tragen muss oder möchte sortiert gut aus und überlegt ganz genau: was ist wirklich wichtig mitzunehmen? Und plötzlich wird mir bewusst, wie wenig ich überhaupt benötige.
Pilgern lehrt mich…
… los zu lassen
Da wir in einer Gruppe pilgern, prallen viele Meinungen und auch (An)Gewohnheiten aufeinander.
Wenn ich als Beispiel einfach mal das Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel nehme, ich wäre immer sehr zeitig – aus reiner Vorsicht.
Zwei unserer Gruppe sind viel Reisende somit auch gewohnt in der Welt herum zu reisen. Die beiden gehen aus meiner Sicht oft auf den letzten Drücker los. War ich anfangs noch sehr nervös und unsicher ob wir es wirklich noch rechtzeitig schaffen, bin ich jetzt schon viel entspannter. Waren wir schon einmal zu spät? Nein! Außerdem – was kann schon passieren? Es gibt immer eine Lösung!
.. macht mich stolz!
Ich habe Deutschland zu Fuß durchlaufen und meine Bedenken, die „Berge“ in der Eifel nicht überwinden zu können, über Bord geworfen.
Meine Pilgerfreunde haben mir durch intensive Kommunikation geholfen meine Zweifel auszuräumen und mich zu stärken in meinem Vorhaben.
…hilft mir ausdauernd zu sein
Einmal auf dem Pilgerweg unterwegs und ein Ziel gesetzt, laufen die Füße, die Beine schreien nach Bewegung und der Geist lässt es nicht zu vorzeitig abzubrechen. Auch wenn Müdigkeit, Schmerzen, Regen oder andere Unannehmlichkeiten den Weg erschweren.
… macht mich dankbar
Ich bin sehr vielen Menschen sehr dankbar.
Sei es der Gruppe, die mich mitnimmt und mich (er)trägt oder den Menschen denen ich begegne. Die mir Trinkwasser geben, wenn meines mal alle ist. Die mich ganz spontan über Nacht aufnehmen und mir ein Dach über den Kopf anbieten. Die mich selbstlos zum nächsten Bahnhof fahren. Die mich wie selbstverständlich für ein paar Stunden in ihre Familie aufnehmen, und einfach allen, die sich für mich und meinen Pilgerweg interessieren.
Durch das Pilgern bin ich freier und offener geworden. Auf meinen Reisen hatte ich Zeit und Gelegenheit mich mit meinen Ängsten auseinander zu setzen. Dies spüre ich auch in meinem Alltag immer öfter.
Oleander
Und immer wieder ist es überraschend auf die gelaufenen Kilometer zurückzuschauen, findet Koshi.