von Fijula

MESETA, ich habe Respekt und denke an ein Lied, das die Qualen des Pilgers in diesem Abschnitt des Camino Frances beschreibt.

Der Jakobsweg führt über 45 Kilometer durch die Meseta von Boadilla de Camino bis Calzadilla de la Cueza, die in zwei bis drei Tagen zu bewältigen sind. Laut Pilgerbuch ist es das härteste und herausforderndste Wegstück. Es sind jedoch nicht die Berge, die vor einem liegen, die es zu bewältigen gilt, sondern die Begegnung mit der Leere.

Meseta kommt von Mesa – spanisch für Tisch. Das beschreibt das platte, karge Land, durch das der Weg führt. Immer geradeaus. Himmel, Steine, Weg.

Meseta, das ist auch das Land des Don Quichote, der in den Windmühlen Riesen sah. Die Leere verrückt die Perspektive und (ver-)führt zu veränderten Wahrnehmungen.

Dieser Abschnitt liegt auf 1000 Metern Höhe. Man sieht Himmel, Steine und Weg über Stunden und Stunden.

Es ist September und wir haben zumindest keine Hitze zu befürchten. Trotzdem rüsten wir uns mit Wasserflaschen, denn wir wissen, auf mindestens 18 Kilometern gibt es nichts mehr.

Die 18 Kilometer beginnen für uns nach schon 20 gelaufenen Kilometern und erscheinen leicht machbar. „Nur noch 18 Kilometer bis nach Calzadilla de la Cueza“, denken wir und marschieren los. Ich lese laut vor: „Das nun folgende Stück gehört zu den spirituell aufregendsten…. und ist eine echte Herausforderung für Körper und Geist.“ Nur Himmel, Steine, Weg.

Anfangs bestaunen wir eine neu gepflanzte Baumreihe, die in einigen Jahren den Pilgern Schatten spenden wird. Jetzt sind es nur Schättchen. Es ist allerdings nicht so heiß, dass wir von Schättchen zu Schättchen hüpfen. Am Ende der Baumreihe dann nur noch Himmel, Steine, Weg.

Die Pelerins verteilen sich auf fünf Kilometern. Irgendwo läuft die Vorhut bestehend aus Oleander und Koshi, die morgens die ersten seltsamen zehn Kilometer nicht mitgelaufen sind. Dann folgen auf ca. einem Kilometer verteilt wir anderen: Chora, Fleur und Fijula

Die Schönheit dieser Landschaft überrascht mich. Sie ist nur vordergründig leer. Der Blick geht in die Tiefe und ins Detail, findet Nuancen von Farbe, Form und Bedeutung.

Lange Strecken läuft jede allein und stellt sich dem Nichts. Für mich sind Chora und Fleur nur ein Pünktchen am Horizont – eine leichte Erhebung im flachen Land. Das einzige, woran sich das Auge festmacht, während der Geist durchs Nichts tanzt. Nach einer weiteren Stunde durchs Standbild höre ich meine Gedanken. Die losen Enden vieler gedachter Worte finden zueinander. Es ist wie ein Zauber, der sich über den Geist legt.

Der Zauber hält, bis sich die Füße melden. Das lange Geradeaus auf der steinigen Piste bietet auch ihnen wenig Abwechslung. Wir drei Pelerines sind wieder näher zusammengerückt, als wir die 38-Kilometer-Marke knacken und immer noch kein Zeichen von Zivilisation erkennbar ist.

Ist es der Geist, sind es die Füße oder die Erschöpfung – wir wollen ankommen. Leider geht weiter geradeaus, allerdings leicht bergauf. Nach weiteren Ewigkeiten sehen wir immer noch Himmel, Steine, Weg – und ein spitzes Dach.

„Lass es eine Kirche sein!“ Das müssen viele Pilger durch die Jahrhunderte auch innerlich gerufen haben.

Die Spitze wird zum Turm…ein Turm im Nichts. Die Hoffnung ist im Sinkflug, bis hinter einer Kuppe Dächer sichtbar werden. Ja! Es ist ein Dorf!

Himmel – uns fällt ein Stein vom Herzen, der Weg hat ein Ende.