Geschichten von ZUGFAHREN
von Chora
Dam–Dam–Da-Da: Zwei Töne im großen Schritt aufwärts, der Dritte und der Vierte folgen abwärts schnell hinter einander . Das ist das Begrüßungsjingle vor jeder Ansage am Bahnsteig. Unser Klang beim Reisen durch Frankreich – die Erkennungsmelodie, der Bahn als Musikstück zum Tanzen
Jetzt sind wir am Zug!

Morgens machen wir uns auf den Weg zum Bahnhof. Unterwegs am Marktplatz lockt uns ein heißer Cappuccino an den Tisch vor einer kleinen Bäckerei. Ganz begeistert von der guten Atmosphäre nehmen wir noch ein herrliches belegtes Baguette mit, als Proviant für zwischendurch. So sind wir bestens gerüstet, um den nächsten Zug zu nehmen, der uns zu unserem Startpunkt der geplanten Tagesetappe bringen wird. Nun noch schnell ein Ticket gekauft. Der Beamte am Schalter macht uns klar, dass kurz zuvor noch ein Zug zu unserem Ziel gefahren ist. Der Nächste fährt erst wieder Mittags und nicht etwa stündlich. Aber, wenn wir jetzt nicht starten, schaffen wir die Pilgerstrecke nicht bis zurück zu unserer Unterkunft hier.Die Kreativität unserer grauen Zellen ist gefragt. Hier kommt die Lösung. Es dauert nicht lange und ein Zug bringt uns in eine andere Richtung als die Geplante. Heute werden wir die Etappe gehen, die wir für den morgigen Tag vor hatten. Nun nehmen wir aber diese Herausforderung an, und fahren zum eigentlichen Endpunkt der Strecke. Dadurch laufen wir den Pilgerweg in die entgegen gesetzte Richtung. Auf geht`s zum Rückwärtslaufen.

Alle Richtungen führen nach Hause
In unserem nächsten Urlaub pilgern wir da weiter, wo wir aufgehört haben. Es ist die Strecke zwischen Nancy und Toul, die parallel zur Bahnlinie verläuft. Da wir inzwischen das Fahren mit der Bahn kennengelernt haben, wählen wir als Standort zum Wohnen ein nettes kleines Haus in Nancy. Mit der Bahn werden wir täglich pendeln zwischen dem Startpunkt und unserem Rückweg vom Tagesziel. Super Plan! Ein paar Monate später sind wir wieder in Frankreich, voller Freude auf das Pilgern. Aber die Bahn ist immer für eine Überraschung gut. Das Zauberwort heißt „Gleisbauarbeiten“. Die Gleise der Regionalbahn in Richtung Nancy werden erneuert. Das bedeutet, dass unsere Rückfahrt immer über Toul führt. Dort gibt es eine schnelle Verbindung auf Umgehungsgleisen nach Nancy. Also sei flexibel, denn dieses Programm haben wir jetzt täglich!!Morgens entscheiden wir uns öfters für einen Bus, der uns in die Nähe unserer Startposition bringt. Der Bus ist sehr viel günstiger als die Bahnfahrkarte. Abends entscheiden wir uns meistens für die Zugverbindung. Dann sprinten wir von Gleis zu Gleis. Der Schaffner des Schnellzuges kennt uns inzwischen. Er wartet dann schon bis die Letzte von uns die Treppen hoch gerast kommt. Erst dann pfeift er und der Zug setzt sich in Bewegung. Geschafft. Wir geben alles, weil es immer der letzte Zug des Tages ist. So kommt es, dass wir erst spät an unserer Unterkunft ankommen.


Wir sind nicht aus Pappe
Es sind nur noch drei Kilometer, dann ist die heutige Wanderung geschafft. Hinter dem Ort erwartet uns eine schöne Landschaft bis zum Bahnhof. Beeilung, denn den Zug nach Toul wollen und müssen wir erreichen. Ein schneller Blick auf die Uhr und das Marschtempo erhöhen. STOP, ertönt es da laut von Fijula. So gut wir auch laufen mögen, aber in 20 Minuten werden wir das nicht schaffen können. Dann fährt nämlich vom Bahnhof, am fernen Horizont der letzte Zug des Tages ab. Wer kann uns in dieser schwierigen Situation helfen? Erst mal geht es zurück zum letzten Ort. Ob wir jemanden finden werden, der uns schnell zum Bahnhof fährt? Mit einem Auto ist das ja keine Entfernung. Wir eilen zurück und kommen wieder zu den ersten Häusern. Froggy`s Blick fällt auf einem Wagen vor einem der wenigen Häuser. Sie murmelt etwas wie: “Der müsste passen!“ Vier gespannte Gesichter beobachten Froggy, die nun zu diesem Haus schnell geht. Als sich die Tür öffnet, erklärt sie dem Herrn des Hauses „fließend“ auf französisch, ob er für uns telefonieren würde, da wir dringend ein Taxi brauchen bis zum Bahnhof im nächsten Ort. Das Gespräch endet mit den Worten zu seinen Kindern. Sag der Mama mal: Ich bringe die fünf Frauen weg!. Dem heraneilenden Herrn lächeln wir Wartenden gewinnend entgegen. Ein Mann eine Tat. Ein Auto, fünf müde Pilgerinnen und fünf mal das Tagesgepäck. Der Kofferraum ist voll gepackt mit Kisten und Kartons für einen Papierkontainer. Zwölf fleißige Hände helfen um alles in Rekordzeit aus dem Auto zu tragen und in den Vorgarten zu legen. Schnell stapeln wir uns im Wagen und nehmen eine möglichst „bequeme“ Haltung ein, die wir nicht mehr groß verändern können, bis wir am Ziel sind. Mir kommt die Strecke recht lang vor für drei Kilometer. Zu unserer Überraschung fährt uns dieser hilfsbereite Herr direkt bis Toul, da er davon ausgeht, dass in seinem Nachbarort abends kein Zug mehr hält. Dankbar kommen wir gut in Toul an. Unser Trinkgeld lehnt unser freundliche Retter vehement ab. Weil wir nun so schnell waren, können wir sogar einen Zug früher nach Nancy nehmen.Trotzdem ist es längt dunkel, als wir glücklich unsere Unterkunft erreichen.

Holla die Gleisfee!
Mit unserem ganzen Pilgergepäck auf dem Rücken kommen wir in Dijon am zentralen Bahnhof an. Wir sind noch nicht am Ziel unserer Reise angekommen. Am liebsten möchte ich mich schon mal in Ruhe zum Bahnsteig begeben, an dem unser Zug abfahren wird. Dort will ich dann ganz entspannt auf die Einfahrt des Zuges warten. Doch, wo ist denn nun das Gleis? In meinen Unterlagen habe ich keinen Vermerk dazu. Naja, dafür gibt es ja schließlich die großen Fahrpläne in der Eingangshalle. Muss mich etwas mehr konzentrieren, denn ich habe die Angabe nicht sofort gefunden. Sie wird schon irgendwo stehen. Also, noch mal in Ruhe alles systematisch auf dem Plan studieren. Hier finde ich nun auch den gesuchten Zug in der richtigen Fahrtrichtung und der korrekten Uhrzeit. Jawoll, das ist er!Hallo, wo steht denn jetzt die Nummer für das Gleis? Das kann doch nicht so schwierig sein. Es ist aber schwierig. Irgendwo muß diese Nummer doch stehen. Da erst bemerke ich, dass es noch eine große Anschlagstafel gibt, die mir bestimmt weiter hilft. Da finde ich des Rätsels Lösung. Nun ist Geduld gefragt, denn die Antwort kommt erst am Ende der Wartezeit. Hier wird die Gleisnummer, das kleine, aber bedeutsame Detail bekannt gegeben, kurz bevor der Zug in den Bahnhof einfährt. Alle Reisenden stehen in der belebten Eingangshalle und warten auf diese Bekanntgabe. Die Anzeige wird aktualisiert.

Mit einmal kommt Bewegung in die Leute.Wie von einem Magneten angezogen, strömen die Menschen jetzt alle in eine Richtung. Mit der Menge bewegen auch wir uns vorwärts zu dem gerade bekannt gegebenen Bahnsteig. Der Sinn in der kurzfristigen Zuordnung der Gleise ist wahrscheinlich dieser. Es gibt keine Verzögerungen durch einen anderen Zug, der noch auf einen Gleis steht und die Einfahrt des nachfolgenden Zuges blockieren könnte. Vielleicht ist es auch ganz anders. Wer weiß das schon so genau.Andere Länder andere Sitten.